Cash is King – Vonovia und Co. verstehen

Eine Reihe von Knut Unger zur Lage der finanzialisierten Wohnungswirtschaft

In den Jahren nach der Jahrhundertwende kaufte die globale Finanzindustrie etwa 1,2 Millionen ehemals gemeinnützige und staatliche Wohnungen in Deutschland auf. Gut 900.000 dieser Wohnungen landeten ab 2013 in börsennotierten Wohnungsunternehmen wie die Deutsche Annington, GAGFAH, Deutsche Wohnen, LEG und Co. In den Jahren nach 2013 ermöglichten niedrige Zinsen eine schnelle Konzentration innerhalb des Segments. Das Hauptprodukt dieses Prozesses, die Vonovia SE, schluckte einen «Konkurrenten» nach dem anderen und kontrolliert heute allein 485.000 Wohnungen in Deutschland.

Einer Infografik zeigt den Wohnungsbestand (börsennotiert) der acht großen Wohnungskonzerne in Deutschland

Zusammen mit den 40.000 Wohnungen in Schweden und 21.000 Wohnungen in Österreich besitzt Vonovia SE 546.000 Wohnungen. Sie ist der größte Vermieter Europas. 
Die LEG Immobilien SE ist die Nummer 2 und besitzt heute 167.000 Wohnungen.
Hier die Anzahl der deutschen Wohnungen anderer großer börsennotierter Wohnungskonzerne: TAG Immobilien: 85.000, Grand City Properties: 63.000, Covivio: 40.000, Peach: 27.000, Heimstaden: 26.000, Adler: 25.000. Zusätzlich zirkulieren geschätzt 30-40.000 Wohnungen unter verschiedenen Fondsgesellschaften.

Mitte 2022 stoppte die «Zinswende» vorerst diesen Prozess. Die Wohnungsfinanzindustrie passte sich den neuen Bedingungen an. Dividendenausschüttungen wurden vorübergehend reduziert, der Neubau für den eigenen Bedarf beendet, die energetische Modernisierung des Wohnungsbestandes zusammengestrichen, Wohnungen und Geschäftsanteile verkauft. Statt in Ausschüttungen und Investitionen fließt ein hoher Anteil der immer weiter steigenden Mieten jetzt in das Management der für die Ankäufe  angehäuften Schulden. Einige besonders spekulative Plattformen werden abgewickelt. Die Platzhirsche Vonovia & Co. aber haben gute Chancen, die Hochzinsphase mit Hilfe ihrer gigantischen Kapazitäten und der wachsenden Wohnungsnot zu überleben. Mietende, Wohnungssuchende, Kommunen und der Steuerstaat zahlen die Zeche.

Alles in allem müssen in den nächsten drei Jahren von den Wohnungskonzernen für weit über 20 Milliarden Euro neue Kredite ausgehandelt oder getilgt werden. Bei der LEG sind die Zinskosten innerhalb eines Jahres von 1,26 auf 1,58 Prozent gestiegen. Bei fast 9 Milliarden Euro Schulden führt das zu einer Mehrbelastung von fast 29 Millionen Euro im Jahr. Bei der Vonovia stieg der Zinsaufwand für die Kerngeschäfte seit 2021 um 222 Millionen Euro oder 56 Prozent. Die Konzerne müssen darum kämpfen, dass sie ihre Zahlungsfähigkeit erhalten. «Cash is King» titelt die LEG in ihren Präsentationen. Das klingt, als hätte die finanzialisierte Wohnungswirtschaft ihren Souverän gewechselt. Ein Paradigmenwechsel? Oder nur eine Phase?

Eine grundsätzliche Änderung der Spielregeln ist überfällig, Pläne für eine Transformation des Immobiliensektors liegen vor. Für eine reale Wohnwende aber fehlen die politischen Mehrheiten. Das wird sich wohl erst ändern, wenn sich die gebeutelten Mieter*innen und ihre Vertreter*innen, mietenpolitische Bewegungen und die Verantwortlichen in betroffenen Kommunen viel selbstbewusster gegen den finanzialisierten Großgrundbesitz wehren und sich weiter vernetzen und effektiv organisieren.

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Referent für Mieten-, Wohnungs- und Stadtpolitik Stefan Thimmel
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